Genetischer Mathematikunterricht

Das genetische (= entwickelnde) Prinzip ist eine zentrale Forderung an den Mathematikunterricht. Er soll sich nicht an der Axiomatik der Mathematik orientieren, sondern den Lernenden einen Einblick in den Prozess der Entstehung von Mathematik geben.

Das ist nicht unbedingt historisch zu verstehen, sondern es geht darum, dass die Lernenden durch Probleme angestoßen werden, den Prozess der Konstruktion eines mathematischen Begriffs oder Zusammenhangs individuell und aktiv nachzuvollziehen.

In Bezug auf den Funktionsbegriff veranlassten formale Übertreibungen Mitte der siebziger Jahre HANS FREUDENTHAL (1905-1990) zu der Forderung, im Unterricht stärker die Reichhaltigkeit und die Wirksamkeit des Funktionsbegriffs zu betonen. 

Diese Ideen fanden starke Resonanz und prägen seither die Behandlung des Funktionsbegriffs in der Sekundarstufe I.

Freudenthal

Günther Malle hat verschiedene Forderungen an einen genetischen Mathematikunterricht aufgestellt: 
  1. Begriffe und Theoreme sind aus Problemstellungen oder passenden Situationen heraus zu entwickeln.
  2. Begriffe und Theoreme sind erst dann einzuführen, wenn damit wirklich gearbeitet werden kann (kein Lernen auf Vorrat) und auch gearbeitet wird (kein totes Wissen).
  3. Es soll am Vorwissen der Lernenden angeknüpft werden.
  4. Verallgemeinerungen sollen schrittweise erfolgen.
  5. Aus erfolgten Problemlösungen sollen nach Möglichkeit weitere Probleme entwickelt werden.
  6. Die Darstellung soll keine Lücken bzw. Sprünge aufweisen, die das Verständnis erschweren oder unmöglich machen.